Champagner & Schorle Top 10

Die aufregendsten Weine des Jahres

Diese Top 10 konnten mich 2023 am meisten begeistern. In willkürlicher Reihenfolge.

Dreimal Schaumwein, zweimal Champagne, dreimal Deutschland, fünfmal Frankreich. Ich gebe zu: wirklich vielfältig fällt meine Top 10 des Jahres nicht aus. Aber ich wollte die wirklich absolut spannendsten Weine meines Weinjahres 2023 zusammenfassen. Und ich verkoste nun mal beruflich geschuldet viel deutschen Wein und trinke der Leidenschaft geschuldet viel französischen Wein, vor allem Champagner so oft es geht.

Champagne Louis Roederer – Cristal 2015

Roederer Cristal

Für mich ist Roederer Cristal meist die beste Grande Cuvée der Grandes Marques: spannender als Dom Pérignon, ernsthafter als Veuve Clicquot La Grande Dame, angriffslustiger als Bollinger Grande Année und radikaler als Krug. Seit 2012 entstammen die Trauben für den Cristal dem Teil der biologisch und biodynamisch bewirtschafteten Flächen Roederers. Standardmäßig blockiert Chef de Cave Jean-Baptiste Lécaillon – anders als das Gros der Champagne – den biologischen Säureabbau. Balance und Komplexität schadet das kein bisschen. Es treffen warmherzige Aromen von Zuckergebäck, Brioche mit Zuckerstreuseln, Mandelkuchen, Haselnusskeksen, Cantuccini und Quarktaschen auf eine erbarmungslose Frische. Säure und Geschmeidigkeit erscheinen als unabhängige, fluide Größen, mit denen der Cristal völlig frei spielen kann. Solche Weisheit macht aus guten Weinen große Weine.

Champagne R. Pouillon – Les Valnons Extra Brut 2016

Ich habe diesen Champagner in einem Artikel über Tirage sous liège in Meiningers Sommelier kennengelernt. Der genaue Ablauf dieser zweiten Gärung mit Naturkork statt Kronkork ist hier bestens erklärt, weswegen ich nicht weiter drauf eingehen möchte. Einer meiner Champagner des Jahres ist dieser Chardonnay vor allem, weil er zeigt, welche Rolle Textur auch abseits von Perlage im Champagner spielt. Viele oder wenige, große oder kleine Perlen? Ich halte das nicht für die wesentlichen Fragen. Dem von mir immer wieder zitierten Leitsatz von Robert Parkers Champagner-Verkoster William Kelley folgend – Champagne is just wine –, ist die Textur eines Champagners nicht zuletzt die Textur des flüssigen statt des gasförmigen Parts. Pouillon haucht seinem Champagner einen feinen, kaum erkennbaren, nur vage fühlbaren, aber enorm wichtigen Gerbstoff ein, der an Grünteecatechin und eingesalzene Aprikosen erinnert.

Weingut Fürst, Franken – Spätburgunder Hundsrück Großes Gewächs 2021

Paul Fürst gilt als einer der Pinot-Grandseigneurs und zählt seit 20 Jahren zur deutschen Spitze. Für mich hat das Weingut in den vergangenen Jahren aber nochmal zugelegt – oder zumindest seinen Stil in eine Richtung verschoben, die mir sehr zusagt. Dem 2021er gelingt, was nicht vielen 2021er Spätburgundern gelingt: Die schlanke Frische des Jahrgangs in eine grazile, kräutrige Komplexität umzumünzen. Blind verkostet wirkt der Hundsrück zu Beginn noch dezent grün und unreif, vor allem in der Nase, im Mund und mit Luft zeigt sich aber die penible, punktgenaue Reife: Habanero, Sanddorn, rote Beeren und (noch) diffuse Kräuter. Ein Pinot Noir auf Messers Schneide.

Weingut Braunewell, Rheinhessen– Riesling G700 2022

Man könnte hier dutzende Rieslinge nennen. Keller, Kühling-Gillot, Battenfeld-Spanier, Wittmann, Bürklin-Wolf – alle fünf und viele andere haben 2022 und 2021 großartige Rieslinge gekeltert. Ich wollte mein Augenmerk aber auf den Riesling richten, der mich 2023 am meisten überraschen und begeistern konnte. Das soll nicht heißen, Braunewells G700 wäre mit Wildcard und Sympathie-Bonus in die Top 10 gezogen. In einer größeren Riesling-Verkostung habe ich ihn tatsächlich, wie die meisten Mitverkoster, von allen Weinen am höchsten bewertet – und zwar blind. Der Stil entspricht dem neoklassischen Rheinhessen-Riesling: Es geht viel um Struktur und Gerbstoff, weniger um Frucht, die aber auch nicht dogmatisch negiert wird. Der Bonus: eine unglaubliche Länge, die auf gar nicht so viel Aroma angewiesen ist. Und das beste: mit 30 Euro ab Hof das derzeit vielleicht beste Preis-Leistungs-Verhältnis im deutschen Weinbau.

Weingut Aldinger, Württemberg – Riesling Pulvermächer Großes Gewächs 2021

Der zweite Riesling, der mich begeisterte, ähnelt Braunewell kaum und ist viel aromatischer. Manche würden Aldingers im Tonneau gereiften Riesling vorwerfen, ein Blender zu sein, zu laut, zu vorhersehbar, zu sehr im Zeitgeist gefangen. Aber ich finde der Pulvermächer verkörpert mit seiner vielschichtigen Rauchigkeit, mal von Rebsorte, mal von Holz, mal von Reduktion transportiert, sowie komplexer Kräutrigkeit von Dillblüten, Majoran und Cannabis einen perfekten erhaben-wilden Stil.

István Bencze Birtok, Badacsony – Furmint 2019

Ich habe die Weine von István Bencze 2020 im Portobello in Budapest kennengelernt. Das Café in einem alten K&K-Eckhaus mit kleiner, aber spannender Weinauswahl erwies sich spontan als perfekter Ort, um vom letzten Kaffee zum ersten Aperitif des Tages zu gleiten. Der 2019er Furmint wurde an diesem Nachmittag für ein paar Hundert Forint offen ausgeschenkt und ich war so begeistert, dass ich ein paar Flaschen mit nach Hause nahm. Mittlerweile ist um István Bencze ein kleiner Hype entstanden, die Weine sind in Deutschland nur in winzigen Zeitfenstern oder über Kontakte zu bekommen. Und der Hype hat seine Berechtigung! Ich habe schon mal über diesen Wein geschrieben, der sich in der Champagner & Schorle-Furmintverkostung mit großem Abstand als Sieger durchsetzte. Der vielleicht beste trockene Wein Ungarns.

Château Pavie – Saint-Émilion 1926

Glück ist der beständigste Garant großen Weingenusses. Und ich hatte das Glück zu richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, als eine Freundin zwei Flaschen 1926er Château Pavie aus dem privaten Keller ihrer Familie öffnete. Obwohl ich schon ältere Weine getrunken habe, ist das der älteste Wein, der noch nach Wein schmeckte. Viele ältere Flaschen sind zwar spannend, aber eher als Kuriosität zu betrachten und kaum wirklich als Getränk zu konsumieren. Ich würde eine 1901er Auslese genauso wenig zum Essen ausschenken, wie ein Oldtimer-Freak mit einem 100 Jahre alten Mercedes in den Urlaub fahren würde. Der 1926er Pavie gleicht da vermutlich eher einem gut gepflegten Porsche aus den 60ern. Aber ich sollte lieber von Wein schreiben, als von Autos, von denen ich nichts verstehe: Der Pavie verändert sich zwar sehr schnell im Glas und changiert zwischen Kakaonibs, Kaba, Austernschalen, Nori-Alge, Pflaumensaft und Liebstöckel, lässt sich aber noch angenehm trinken, zeigt Säure, Tannin und eine schöne Restfrucht ohne Maskerade. Wie ein richtiger Wein.

Recaredo, Katalonien – Turo d’en Mota 2008

Keine Schaumweine sind meiner Meinung nach in der absoluten Spitze ernsthaftere Champagner-Konkurrenten als die von Recaredo. Sollte ich die besten zehn Schaumweine auflisten, die ich je getrunken habe, wären das neun Champagner und Turo d’en Mota. Der reinsortige und mehr als zehn Jahre sur lattes gereifte Xarel·lo zeigt betörende Kräuter, Estragon, Koriandersaat, Bockshornklee und Apfelschale, ist wahnsinnig intensiv, aber nicht ungestüm. Eines der Schaumweinerlebnisse des Jahres.

Domaine de Chevalier – Pessac-Léognan Blanc 1994

Ich habe bereits ausführlich über diesen Wein geschrieben, als ich über eine größere Bordeaux-Blanc-Verkostung berichtete. Deswegen hier nur in Kürze: weiße Bordeaux Blanc gehören zu den wundervollsten gereiften Weinen überhaupt und Chevalier 1994er setzt seine Reife perfekt in Szene, statt sie zu verstecken. Mehr hier.

Benoit Moreau – Chassagne-Montrachet Cru La Maltroie 1er Cru 2021

Bei diesem Wein geht es eigentlich nur um eine Sache: das Zusammenspiel aus Gleitfähigkeit und energischer Säure. Das kann auf diesem Niveau nach wie vor nur Burgund. Leider.

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Im Newsletter berichte ich von Themen auf und neben Champagner & Schorle. Neben exklusiven Newsletter-Content, verlinke ich Reportagen, Verkostungen oder Porträts, die ich entweder für mich selbst oder für andere verfasst habe. Oder auch solche, die ich gar nicht selbst geschrieben, sondern gelesen habe. Kurzum alles, was mich vinophil im zurückliegenden Monat begeistert hat.

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