Sternberg Kärnten Egger Alexander

Großes alpines Potenzial

Alexander und Petra Egger vom Weingut Sternberg betreiben Weinbau am Limit im kühlen Kärnten. Zu Gewinnern des Klimawandels macht sie das nicht automatisch.

Es ist ein ungewohntes Bild: drei Drainage-Kanäle ziehen sich durch die Weinberge in Wernberg. Seit ich Weingüter besuche, schildern Winzer fast einhellig die Herausforderung, Wasser zu halten, sei es durch gute Durchwurzelung als Erosionsschutz, Humusauflage oder Verdunstungsschutz durch Begründung. Die Situation, Wasser effizient loswerden zu wollen, mag in fast allen Weinbauregionen der Welt grotesk klingen. Anders in Kärnten.

Sternberg ist das einzige Weingut im Ort, obwohl Kärnten früher mal ein traditionsreiches Weinbaugebiet war. Die ersten urkundlichen Erwähnungen reichen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Im 16. Jahrhundert, zur Blütezeit des Kärntner Weinbaus, wuchsen hier auf 400 Hektar Reben. Der Fall erfolgte dann in zwei Schüben und begann 1797, als den Habsburgern das Friaul zugesprochen wurde und die Zölle für die günstiger zu produzierenden Weine aus dem italienischen Flachland nichtig wurden. Der dezimierte Weinbau fiel dann im 19. Jahrhundert der Peronospora zum Opfer, die sich ab spätestens 1862 in Europa ausbreitete. Als die Reblaus einige Jahre später in den Alpen ankam, war vom Kärntner Weinbau kaum noch etwas übrig. Seit den 1970ern geht es wieder langsam bergauf und die Region kann heute auf 130 Hektar und etwa 180 Haupt- und Nebenerwerbswinzer verweisen.

Bei Sternberg wurde der Grundstein 2009 gelegt. Den Anfang machten 600 Reben als Hobby-Weingarten, heute ist aus Sternberg ein für die Region mittelgroßes Weingut mit 5,5 Hektar geworden. Die Eggers exportieren etwa die Hälfte ihrer Produktion, vor allem nach Nordeuropa, Japan und in die USA. Das Portfolio ist weit gestreckt und umfasst neben Riesling, Sauvignon Blanc, Müller-Thurgau, Traminer, Grauburgunder, Rotgipfler, Chardonnay, Zweigelt, Spätburgunder und Gamay auch die Piwi-Sorten Donauriesling, Sauvignac, Souvignier Gris und Satin Noir. Ich habe nicht alle Weine verkostet, aber die Handvoll Weine haben mir mit ihrem angedeuteten, präzisen Naturweineinschlag sehr zugesagt.

Nur kühl bringt auch nichts

Um im Kärntner Terroir mit regelmäßigen Jahresniederschlägen über 1000 mm Weinbau zu betreiben, braucht es entweder Mut, Starrsinn oder ein doppeltes Fallnetz. Als mir Alexander Egger erzählt, dass er nicht zwangsläufig vom Weinbau leben müsse, sondern im Hauptberuf eigentlich Elektrotechniker mit eigener Firma sei, verstehe ich nicht auf Anhieb wieso. Von 5,5 Hektar Direktvermarktung kann man, eine gesunde Preispolitik vorausgesetzt, oft ganz gut leben. Als er von Jahren wie 2015 erzählte, in denen der Hagel fast die gesamte Ernte vernichtete, oder von 2016 und 2017 als Spätfröste durch die Weinberge fegten, klang der Rückhalt eines wetterunabhängigen Standbeins sinnvoll. Die Erträge sind mit 3000 bis 3500 Kilo pro Hektar selbst in normalen Jahren gering und der Totalausfall ist beim Bioweinbau im feuchten Terroir ein reales Szenario.

Als ich Alexander Egger frage, ob er sich als Gewinner des Klimawandels betrachtet, muss er lange nachdenken. Dann erzählt er vom Frühsommer 2023, dem regenreichsten Jahr, seit in Kärnten Niederschläge gemessen werden. Fast 800 mm fielen zwischen Mai und August. Das ist etwa so viel wie am Kaiserstuhl im ganzen Jahr. “Niemand profitiert wirklich vom Klimawandel, auch wir nicht”, sagt er. 2023 werden die Erträge niedrig sein, hauptsächlich durch Blatt-Peronospora im Frühsommer.

Immer wieder begegne ich gefährlich verkürzten Prognosen, wo die Gewinner der Klimakrise in den Startlöchern stünden. Anbaugebiete der Zukunft auszuloben ist das weinbauliche Pendant zum Sofa-Bundestrainer, der den 6er lieber als Außenverteidiger auflaufen sähe. Aber der Blick auf Sternberg verdeutlicht, dass Terroir in Zeiten der Klimakrise komplexer ist als einfach Temperaturen aufzusummieren. Hagel, wie er Alexander Egger 2015 fast die vollständige Ernte kostete, wird mit sich potenzierender Klimakrise eher gefährlicher als sanfter. Genauso verschärfen Wetterkapriolen die Spätfrostgefahr, die in kühlen Gebieten besonders groß ist. Klimawandel heißt ja nicht, dass es gleichmäßig immer wärmer wird, sondern steht vor allem für extremere Wetterereignisse. Ein viel zu warmer Februar, der die Reben zum Austreiben bewegt, heißt in Zeiten der Klimakrise nicht, dass der Winter vorbei ist. Und Großwetterlagen können auch in durchschnittlich trockener werdenden Sommern für Monate sorgen, in denen es doppelt so viel regnet wie im langjährigen Mittel.

Das alles soll nicht heißen, Kärnten wäre für den Weinbau ungeeignet. Ganz im Gegenteil, Sternbergs Weine beweisen, das große Potenzial des alpinen Weinbaus. Aber man sollte die kühlen, ungewohnten Terroirs nicht als Oasen verklären. Das würde auch dem Fingerspitzengefühl, mit dem Winzer wie Alexander Egger dort agieren, nicht gerecht werden. Der Fass- und Amphoren-Keller ist bei Sternberg rund, damit jeder Wein gleich prominent platziert werden kann.

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