Chateauneuf-Du-Pape Alkohol

Die Zeit ist reif

Appellationen sollten den Winzern die Anpassung an den Klimawandel nicht zusätzlich erschweren – und Vorgaben zum Alkoholgehalt neu denken.

Ich muss gestehen, dass Châteauneuf-Du-Pape in der Regel nicht zu meinen Lieblings-Appellationen zählt. Die Kombination aus hohen Preisen und hohen Alkoholgehalten entsprechen so ziemlich dem Gegenteil von dem, was ich für erstrebenswert halte. 15 Volumenprozent Alkohol oder mehr sind dort derzeit eher die Regel als die Ausnahme.

Wie viel Freude Châteauneuf-du-Pape mit 13 Volumenprozent machen kann, verdeutlichte mir gerade ein 1977er von der Domaine du Clos du Roi. Ich hatte diesen Wein als Einzelflasche aus einer Kellerauflösung erstanden und ihn ohne konkrete Erwartungen geöffnet. Alte Weine sind immer ein Poker-Spiel, gerade wenn man wie ich in diesem Fall weder Lagerbedingungen noch Produzent kennt. Im Glas zeigt sich ein herrlich frischer Wein, der faszinierender Weise kaum Reife zeigt. Wer hier blind auf zehn Jahre alten Grenache-Syrah-Mourvèdre-GMS-Blend tippt, blamiert sich keineswegs – hätte ich vermutlich selbst.

Faszinierend ist auch, wie leicht und filigran sich der Châteauneuf-Du-Pape präsentiert, mit burgundischem Anmut, das ich aus aktuellen Jahrgängen so nicht kenne – und wie es mit 15,5 Volumenprozent Alkohol wahrscheinlich auch nicht zu erreichen ist. Dass Rotweine mit 13 Prozent in Südfrankreich – aber auch im Burgund und in Bordeaux mehr und mehr – ausgestorben sind, liegt natürlich vor allem am Klimawandel. Dabei ist es mitnichten so, dass die Temperatur alleiniger Treiber des Mostgewichts ist. Nach Berechnungen des Instituts für Weinbau an der Hochschule Geisenheim bestimmen natürliche Faktoren das Mostgewicht zu 70 Prozent. 30 Prozent, also fast ein Drittel, liegen in menschlicher Hand, die mit Düngungsmanagement, Begrünung, Rebschnitt, Grünlese oder Beschattung gegensteuern kann. Grotesk wirkt es zum Teil, dass nicht allen Winzern erlaubt ist, diese Werkzeuge zu einer Senkung des Alkohols auch zu nutzen.

In Châteauneuf-du-Pape ist, ähnlich wie in Bordeaux oder für Hermitage, eine Mindesthöhe der Laubwand vorgeschrieben. Vereinfacht gesagt heißt mehr Laubwand, mehr Fotosynthese, mehr Bildung von Kohlenhydraten, und mehr Bildung von Zucker in der Beere, was ein hohes Mostgewicht und einen hohen Alkoholgehalt nach sich zieht. Möchten Winzer durch eine verringerte Blattfläche die Fotosyntheseleistung reduzieren, um die Zuckerreife in den Beeren zu verlangsamen, grätschen in zahlreichen Regionen irgendwann die Weinkontrollen dazwischen.

Dass dieses Szenario auch in der Praxis realistisch ist, bestätigt mir auch Mathieu Huguet aus Bordeaux. Als Weinbauberater würde er seinen Klienten gerne in manchen Szenarien in der Right Bank auf wuchsintensiven Tonböden eine niedrigerer Zeile empfehlen. Für AOP-Weine ist jedoch bei 1,50 Meter Schluss. Er selbst produziert Landwein außerhalb der AOPs und nutzt die Freiheit der niedrigeren Laubwand immer wieder aus.

Das P in AOP

Natürlich hängen Alkoholgehalte nicht monokausal mit der Höhe der Laubwand zusammen. Aber die Vorschrift veranschaulicht die starre Logik vieler AOPs. Die größte Verantwortung bei der Bewältigung der Klimaerwärmung im Weinberg tragen die Weingüter. Die AOPs dürfen sie dabei aber auch nicht allein lassen. Ihre Winzer zu schützen, war schon immer der Kerngedanke der AOPs. Nehmen die Konsortien des P im Appellation Origine Protegée ernst, sollten sie zuckerbildungsfördernde Lastenhefte überdenken.

1935 war Châteauneuf-Du-Pape die erste Appellation, die einen Mindestalkoholgehalt einführte. Die festgelegten 12,5 Volumenprozent von damals stellen heute keine Hürde mehr dar. 90 Jahre später könnte Châteauneuf-Du-Pape erneut vorangehen und einen Höchstalkoholgehalt einführen. Ohne Frage würde das Winzer in die Bredouille bringen und ohne Frage, würde einige Weine aus der AOP fliegen. Aber ist das nicht der Sinn einer AOP? Und ohne Frage träte die Situation ein, dass Winzer vom Wetter des Jahrgangs übermannt, ihren Wein nicht innerhalb der AOP vermarkten dürften, ohne dass sie irgendeine Schuld träfe. Aber war das nicht auch schon 1935 nach besonders kühlen Jahren andersrum der Fall?

Ich bin keineswegs der Meinung, man müsse Winzer vor sich selbst schützen. Das wäre vermessen. Die meisten Winzer kennen ihr Terroir sehr gut und wissen sehr genau, was sie tun und tun müssen. Aber ein Höchstalkoholgehalt würde zeitgemäße Winzer, die auch heute schon Rotweine mit 14,5 Prozent keltern, davor schützen, dass 16-Prozenter den Ruf der Region ruinieren.

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