Les Horées – Coteaux Bourguignons Mon Poulain
Es gibt wirklich wenig an diesem Wein auszusetzen. Er ist frisch, reintönig und trinkanimierend, von guter lebendiger Säure durchzogen und zeigt eine angenehm klare Frucht. Neben Pinot Noir besteht er aus Gamay, der teils weiß gepresst wurde. Wer das weiß, kann sich einbilden, es zu schmecken, weil der Wein eine saftige, fast zitrische Säure mitbringt. Holz ist kaum spürbar, dafür ein leichtes, aber auf eine auffrischende Art griffiges Tannin. So stelle ich mir gute Gutsweine von guten modernen Weingütern vor. Und Les Horées Mon Poulain ist ja auch ein Gutswein. Soweit also keinerlei Anlass für Verwunderung.
Verwundert bin ich aber doch über die Kopf- und Handstände, die Sommeliers, Händler und Trinker vorzunehmen bereit sind, um ein paar Flaschen der winzigen Produktion dieses über die Maßen hinaus gehypten Weinguts zu bekommen. Erstens ist es fast unmöglich, eine Flasche des 1,5-Hektar-Betriebes aufzutreiben, zweitens sind die Weine grotesk teuer. Mon Poulain wird auf dem Graumarkt – woanders bekommt man ihn quasi nicht – für etwa 250 bis 300 Euro Endverbraucherpreis gehandelt, was ihn zum Wein mit dem wahrscheinlich schlechtesten Preis-Leistungs-Verhältnis macht, den ich je getrunken habe. Klar, preisseitig bedingt. Zu diesem Preis hätten wahrscheinlich mehr als 99 Prozent aller Weine, die ich je getrunken habe, ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Preise als Leistungskiller
Weintrinken ist als gesellschaftliche Praxis ein holistisches Erleben. Preise gehören also immanent zum Wein dazu, insbesondere bei dessen Kulturkritik. Und auch wenn man an objektive Qualitätsbeurteilungen glaubt, kann man deren Resultat kaum von Preis entkoppeln. Ich vergebe auf Champagner & Schorle eigentlich keine Punkte, möchte aber zu Demonstrationszwecken eine Ausnahme machen. Ich würde Mon Poulain genau einen Punkt mehr geben als, beispielsweise, dem Guts-Pinot vom Weingut Stolleis aus der Pfalz: nämlich 88. Den Stolleis-Wein kann man für 12 Euro kistenweise beim Weingut kaufen. Obwohl er einen Champagner&Schorle-Punkt weniger hätte als Les Horées – wer stände als Gewinner da? Preise können erbarmungslose Killer sein.
Ich möchte mir nicht anmaßen, auf Basis eines einzigen Weines über das ganze Weingut zu richten. Mein Urteil beschränkt sich auf Mon Poulain Jahrgang 2021. Gut möglich, dass die Lagen-Pinots ihren Hype wert sind, das kann ich nicht beurteilen. William Kelley vom Wine Advocate bezeichnet das Projekt als “immensely exciting” und die Weine als “very attractive” – und vergibt 88 bis 92 Punkte. Eine Text-Punkte-Schere, die ich offen gestanden, nicht so ganz einordnen kann. Die Frau hinter Weingut und Hype ist Catharina Sadde, eine Deutsche, die nach Geisenheim-Studium im Burgund landete und bei Romanée-Conti und der Domaine Marquis d’Angerville arbeitete.
Der Mensch ist gut, der Markt ist schlecht
Ich habe mir lange überlegt, ob ich diese Preispolitik unverschämt finden soll. Und mich dann dagegen entschieden. Dass Les Horées diese Preise erzielt, ist mehr dem allgemeinen Wahnsinn des Burgundmarktes geschuldet als einer unehrlichen Vertriebsstrategie. Dass die Preisbildung bei Mikro-Winzern an der Côte d’Or sich an anderen Parametern als bloßer Qualität im Glas orientiert, ist allen bekannt, denen der Nischen-Star Catharine Sadde überhaupt ein Begriff ist. Auf eine gewisse Weise spielt Les Horées also mit offenen Karten. Ihr wolltet einen Hype-Wein, ihr bekommt einen Hype-Wein. Und Geltungsnutzen haben üblicherweise ihren Preis.
Zudem weiß ich gar nicht, welche Preise Catharina Sadde selbst abruft. Manchmal entstehen derlei Mondpreise auch erst auf dem Sekundärmarkt. Gut möglich, dass ausgerechnet die Winzerin gar nichts dafür kann, dass ich diesen Wein wirklich niemandem empfehlen würde. Für 20 € wäre er nämlich ein echter Gewinn.