Montepulciano Cerasuolo

Blauer Rosé

Masciarelli – Villa Gemma Cerasuolo d’Abruzzo Superiore 2021

Nachdem sich meine vergangenen beiden Texte um den 1,3-Hektar Winzer Joern und das 3-Hektar Weingut Domaine des Miroirs drehten, folgt nun das genaue Gegenteil: 300 Hektar geballter abruzzischer Weinbau. Der Cerasuolo des Großbetriebes Masciarelli ist kein großer Wein, aber ich wollte ihn dennoch hier aufnehmen. Weil die Sonne scheint, die Gattung neu für mich ist und weil ich in letzter Zeit gerne derlei markante Rosés trinke, wie der aus Montepulciano-Trauben gewonnene Cerasuolo d’Abruzzo einer ist. Und weil man am Beispiel von Masciarellis Rosé diskutieren kann, wieso ein Wein gar nicht zwangsläufig groß sein muss.

Aber von Anfang an: Die Bezeichnung Cerasuolo d’Abruzzo stammt aus dem mittelitalienischen Apennin und ist exklusiv für Rosé reserviert – und das schon seit 1968, also lange vor dem Rosé-Hype dieser Tage. Zwar sind laut Statut des Consorzi Tutela Vini d’Abruzzo auch 15 Prozent anderer roter Rebsorten zugelassen, in Masciarellis Villa Gemma-Cerasuolo landen aber ausschließlich Trauben der autochthonen Montepulciano d’Abruzzo-Rebe. Die schwere Rotweinsorte gibt genau das her, was man für ausdrucksstarke Rosé-Weine braucht: fette Aromen. Rot gekelterte Weine dieser fast blauschwarzen Rebsorte sind häufig streng, animalisch und erinnern an Teer und Oregano. Rosé braucht diese Extreme, weil die Machart ja grundsätzlich halbgar ist: die kurze Mazeration reicht nicht aus, um Tannin-Tiefe zu erzeugen, die ausgelaugten Beerenaromen ersticken aber auch jeden Purismus im Keim. Deswegen schmeckt auch Spätburgunder-Rosé selten richtig gut: die Rebsorte ist nicht extrem genug. Und deswegen würzen fast alle provenzalischen Rosé-Winzer ihren geschmeidigen Grenache mit kantigem Mourvèdre oder pfeffrigem Syrah nach.

Und nun zurück zu Masciarelli und der Frage nach großem Wein: dass er keiner ist, merkt man auf Anhieb an der primärfruchtigen, recht einfach gestrickten Art, die an Sommerbowle erinnert. Auf Anhieb begeistert mich aber auch die bittere Kalamansi-Schale, die in diesem violett blaustichigen Rosé mitschwingt. Cerasuolo d’Abruzzo – und das unterscheidet ihn von diesen derzeit überall aufpoppenden Wir-machen-jetzt-auch-Rosé-Rosés – ist ein echter Wein. Einer mit Identität, deren bittere Wahrheit auch dann durchstrahlt, wenn man zu einem Großbetrieb wie Masciarelli greift. In diesem Sinne ist mir ein echter Wein sogar lieber als ein Großer. Deswegen werde ich mit Sicherheit in Zukunft häufiger zu abruzzischen Cerasuolo-Rosés greifen. Sie sind echt gut.

Disclaimer: Ich wurde freundlicherweise vom Weingut zu einem Tasting-Menü in Deutschland eingeladen, darf und werde hier aber schreiben, was ich möchte.

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