Cascina La Castella – Nebbiolo d’Alba 2016
Mit schmerzlichen Korkerfahrungen bin ich wahrscheinlich nicht alleine. Besondere Schmerzen im Abfluss verursachen bei mir: feiner Champagner, alter Barolo oder als Einzelflasche erworbene, womögliche neue Insidertipps. Es kursiert das Gerücht, Frischhaltefolie löse das gravierende Problem im Handumdrehen. Folie zusammenknüllen, in eine Karaffe stopfen, Wein drauf, warten, fertig, sauberer Wein. Fast zu einfach und zu schön, um wahr zu sein. Aber was klingt, wie ein fragwürdiger TikTok-Trend, funktioniert tatsächlich.
2020 erschien sogar eine wissenschaftliche Publikation darüber. María Reyes González-Centeno et al. von der Universität Bordeaux gelang es mittels Laboranalysen nachzuweisen, dass mit Trichloranisol (TCA) versetzte Weine bis zu 82 Prozent des für das Fehlaroma verantwortlichen Stoffes verloren, wenn sie mit Frischhaltefolie behandelt wurden. Bei einem TCA-Gehalt von 1 ng/L, was einem mittelschweren aber in der Regel signifikanten Korker entspricht, sank der TCA-Gehalt deutlich unter die von Menschen wahrnehmbare Schwelle. Bei 3 ng/L ließ sich der Gehalt in einen Bereich drücken, in dem der Kork-Ton für manche Verkoster wahrnehmbar ist, für andere nicht.
Frischhaltefolie hilft gegen TCA. Aber erst einmal nur gegen TCA …
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass die Technik nicht immer funktioniert. Die Studie aus Bordeaux untersucht nur im Labor mit TCA versetzte Weine, also keine Korker, wie sie in freier Wildbahn vorkommen. Dabei weiß man mittlerweile, dass neben Trichloranisol (mindestens) auch die Stoffe Tetrachloroanisol und Pentachloranisol für den Fehlton verantwortlich sind. Hinzu kommt, dass mit einem fehlerhaften Korken meiner Erfahrung nach oft auch andere Dinge einhergehen und neben dem typischen Korkton auch regelmäßig Oxidationsnoten den Wein vermiesen. Meine auf anekdotischer Evidenz basierende Faustregel lautet: je eindimensionaler der Korkton schmeckt, desto höher die Chance, dass Frischhaltefolie wirkt; je komplexer der Fehlton, desto schlechter die Aussichten.
Nebbiolo d’Alba von La Castella als Gegenstand der Untersuchung
Jetzt aber zum Wein: direkt beim Öffnen zeigt sich die korkige Seite, nicht dramatisch aber doch zweifelsfrei. Nach WSET-Schablone würde man ihn wahrscheinlich als Medium Plus einstufen. Aber der Korker zeigte sich klar und rein, ein mustergültiger TCA-Ton. Nach einer halben Stunde mit einem halben Meter Frischhaltefolie in der Karaffe war davon in der Tat nichts mehr zu schmecken.
Da es sich dabei um Nebbiolo von La Castella handelt – einen Wein meiner lieben Freundin Monica Cassino aus Roddino –, den ich ganz gut kenne, glaube ich, auch ohne Konterflasche beurteilen zu können, dass sich der Wein neben der Kork-Kosmetik nicht merklich verändert hat. Er zeigt ein typisches Nebbiolo-Bouquet von Heu, Sauerkirsche, Cranberries und einer wunderbaren Veilchen-Floralität. Im Mund ist er etwas weniger konzentriert als Barolo, weil die Maischegärung bei La Castella kürzer ist. Mit leichter Reife von sechs Jahren zeigt er etwas Wachsmalstift, Teer, Amarenakirsche und einen Hauch Rosinen. Ich mag diese Weine sehr gern, weil sie einen unaufgeregten Nebbiolo-Stil verkörpern. Sie packen weniger fest zu als die meisten Barolo, sind weniger kraftvoll, weniger intensiv, weniger dekadent. Ich habe schon mehrmals blind auf Barbaresco getippt.
Mein Eindruck deckt sich mit den Studienergebnissen. Um den Einfluss auf Stoffe neben TCA zu untersuchen, versetzten die Wissenschaftler auch unkontaminierte Weine mit Frischhaltefolie. Auch wenn die Studie einzelne Aromaverbindungen ausweist, die analytisch bis zu 80 Prozent zurückgingen, konnten Verkoster laut Studie keinen signifikanten Unterschied zwischen behandelten und unbehandelten Weinen feststellen. Kurz und unwissenschaftlich ausgedrückt: Die Folie raubt dem Wein zwar Aromen, aber keine, die besonders wichtig zu sein scheinen.
Ein Problem, das die Studie nicht anspricht, das in der Praxis aber auftritt: wahnsinnig viel Wein bleibt an der Folie kleben. Ich habe es nicht gemessen, aber gefühlt, trinkt das Plastik in etwa ein Glas Wein mit. Aber immer noch besser als die ganze Flasche wegschütten. Und noch etwas brennt mir unter den Nägeln. Klappt das auch mit Champagner?!