Georges Laval – Garennes Extra Brut
Vincent Lavals Hang zur Extreme erschließt sich nicht auf den ersten Schluck. Und das, obwohl der 2,5-Hektar-Mikrowinzer durchaus extreme Dinge tut, wie etwa reinsortigen Pinot Meunier auszubauen, sich auf 11,5 Volumenprozent und ein Gramm Dosage zu beschränken und auf Filtration und Schönung zu verzichten – von geringsten Schwefeldosen mal abgesehen. Sein Einstiegschampagner Garennes Extra Brut schmeckt aus der frisch geöffneten Flasche mit seiner floralen Birnenaromatik aber doch erstmal recht rund und brav. “Alles ein bisschen zu mittel” habe ich mir beim Verkosten notiert.
Mit ein wenig Luft gewinnt er aber rasch an Präzision. Aus Mittel wird volle Kanne! Ich kann die önologischen und chemischen Hintergründe zwar nicht erklären, doch mich erinnert niedrig dosierter Champagner mit hohem Pinot Meunier-Anteil immer an Sichuanpfeffer – zum Beispiel von Mignon oder Geoffroy –, da er ein vergleichbares Taubheitsgefühl im Mund erzeugt, ähnlich wie nach einem Zahnarztbesuch – ein Effekt, den ich von keiner anderen Rebsorte kenne. Was daran spannend ist: kräutrige, vegetative Aromen werden so ideal in Szene gesetzt. Der Sichuanpfeffer greift einer knapp reifen, grünlichen Haselnuss unter die Arme und macht aus dem auf den ersten Blick braven Alltagschampagner ein kompliziertes Liebhaberstück – im positiven Sinn.
Grundweine aus 2013, 2017 und 2018 verwendet Vincent Laval für den Garennes, der bereits im Juni 2020, also vermutlich kurz nach der vorgeschriebenen Mindestreifedauer von 15 Monaten, degorgiert wurde. Die meisten Spitzenweine lagern mehrere Jahre in den Kellern der Champagne, bevor sie auf den Markt kommen. Die Prestigecuvées von Georges Laval liegen in der Regel drei bis vier Jahre sur lattes. Durch das, vergleichsweise, kurze Hefelager hat der Garennes keinerlei buttrige Aromen, kaum Schmelz und auch keine feine Perlage. Zwar sind es genau diese Attribute, die den royalen Charme zahlreicher Grande Cuvées ausmachen, dass sie hier fehlen, ist aber nicht weiter schlimm. Royal versucht dieser Champagner sowieso nicht zu sein – dafür muss man vermutlich den großen Les Hautes Chèvres trinken – sondern gibt sich offen kantig, frech und naja: extrem.