Santenay-Maladière

Ein beruhigend schlechter Ruf

Domaine Prieur-Brunet – Santenay-Maladière 1er Cru 1974

Ich habe hier bereits über einen Burgunder von 1974 berichtet, dem laut einschlägigen Guides schlechtesten Jahrgang der 70er. Mir jedoch hat das Jahr nun nach einem herrlichen Chardonnay aus Chassagne-Montrachet auch einen fulminanten Pinot Noir beschert. Damit Weintrinkern meiner Kragenweite Grand Cru oder 1er Cru aus den 70ern in die Hände fallen, müssen sie aus irgendeinem Grund für zahlungskräftige und gut vernetzte Fine-Wine-Geier ausscheiden.

Mein Wein etwa kommt aus Santenay, einem Weindorf im Burgund süd-westlich von Chassagne-Montrachet: nicht gerade eine Premium-Destination. Und auch die Domaine Prieur-Brunet gehört nicht zu den paar handvoll Weingütern, deren Etiketten Instagramgalerien von New York bis Hongkong zieren. Schlechtes Jahr, unbekannte Lage, ruhmloser Erzeuger: und dennoch ein wunderbarer Wein. Wie typisch für alten Pinot Noir aus dem Burgund ist er von einer subtilen Süße geprägt, die magischerweise gleichzeitig süß und nicht süß schmeckt. Leichte Spuren von Leder, Tabak (kein Brett!), Anklänge von Maggi und als Gegenpol eine tolle Frische von klarer fast reintöniger, kirschiger Natur sowie ein recht festes Tannin.

Mich beruhigen und beunruhigen solche Weine immer zugleich. Beunruhigend ist, zu sehen wir der Weinjournalismus regelmäßig daran scheitert, schlaue Urteile über Jahrgänge zu fällen. Beruhigend ist es aber, solche Weine im Glas zu haben, die erstens günstig und zweitens ehrlich sind. Vor einigen Wochen wurde bei Egon Müller, dem wohl bekanntesten Winzer der Moselregion, eingebrochen. Geklaut wurde nicht etwa Wein oder Geld, sondern Etiketten. Die wohl früher oder später auf der Flasche irgendeines anderen Rieslings landen werden. Das Tantris verweigert seit Jahren die Herausgabe von im Restaurant getrunken Flaschen der Domaine Romanée-Conti. Als “Fälschungsschutz im Sinne aller Weingenießer”.

Zur Gefahr eine Monatsmiete (warm) für eine Fälschung aus dem Fenster zu werfen, hinzukommt das Risiko von durch zig Hände gegangenen und unter zweifelhaften Bedingungen um die Welt geschipperten Ferrariweinen. Einem im Weinhandel tätigen Freund wurde neulich eine Flasche der Domaine Romanée-Conti von einem deutschen “Sammler” angeboten. Mit dem subtilen Hinweis versehen “der war wohl auch schonmal in China”. Dann lieber ruhmlosen, budgetschonenden und perfekt gereiften Santenay aus dem schlechtesten Jahr der 70er. Wer sollte sowas schon um die Welt schiffen?

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1 Kommentar zu „Ein beruhigend schlechter Ruf“

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