Domaine Labet – Chardonnay En Chalasse 2016
Dass oxidative Weine morbiden Charme haben können, ist ja bekannt. Dass die Winzer im Jura die Handwerkskunst der Oxidation beherrschen wie wenige ebenfalls. Dass Jura nicht immer – obwohl es darin gut ist – nach Sherry mit zartem Alkohol schmecken muss, ist geläufig und dass die Domaine Labet gute Weine macht, habe ich zumindest mal gehört. Dass Labet derart phänomenöse Weine macht, haut mich aber trotzdem vom Hocker.
Das mit der Länge im Wein ist ja so eine Sache. Länge selbst ist dabei gar nicht der Parameter, denn lang am Gaumen bleibt ein Wein mit viel Alkohol und viel Tannin fast immer. Wichtig ist was am Gaumen passiert! Hier bleibt vor allem eines lange da, was den meisten Weinen fehlt, denen ein langer Abgang attestiert wird: Komplexität. Tatsächlich transportiert Labets Chardonnay alles, was er mitbringt ganz hinten in den Gaumen. Säure, die an Limette und Johannisbeere erinnert und in klitzekleiner Schmelz, der sich in den nächsten Jahren wohl noch zu einem gehörigen Schmelz entwickeln dürfte. Dazu kommt ein feines johannisbeerkernartiges Tannin, das Erinnerungen an Kuchen im Sommer weckt. Hinten im Rachen macht sich ein kalkiger Schlabber breit, der alles unauffällig aber fest im Griff hat.
Obwohl das trinkig ist, ist das wahnsinnig komplex. Oder obwohl das komplex ist, ist das wahnsinnig trinkig? Auf jeden Fall ist das etwas, das viele als Naturwein bezeichnen würden. Und trotz rudimentärer Filtration, minimalem Schwefeleinsatz (20 mg/l Gesamt-SO22) und vier Jahren auf dem Buckel ist das straff, jugendlich und vibriert im Glas. Auf eine fast schon schizophrene Weise schmeckt das gleichzeitig nach Jura und nicht nach Jura. Denn diese Frische, diese Spannung, die sucht man im Jura-Wein häufig vergeblich. Auf der anderen Seite sind unglaublich feine Oxidationsaromen – angelaufene Apfelschale und ein klein wenig ungeröstete Haselnuss – eingearbeitet, die ihre Herkunft geradezu herausposaunen. So großartig kann nur Jura sein!